Mein dritter Erfahrungsbericht

Langsam aber sicher finde ich mich immer mehr in die Arbeit ein, und ich habe schon das Gefühl, richtig „dazu zu gehören“ und kein Gast mehr zu sein.
In der Crashe mache ich den Unterricht jetzt oft schon alleine, und meistens sogar ohne Hlengiwe, die Direktorin, daneben sitzt und übersetzt. Irgendwie klappt es auch so! Das ist wirklich schön zu sehen. Aber auch wenn der Unterricht klappt, ist es echt anstrengend und immer wieder eine neue Herausforderung. Und das Spielen ist dann doch 1000mal schöner! ;) Aber auch wenn man dabei nicht mehr die Aufmerksamkeit aller Kinder auf sich gerichtet spürt, und man sich gemütlich hinsetzten kann, ist es weiterhin anstrengend. Die Kinder wollen mir ständig etwas zeigen oder ich soll das Puzzle mit ihnen machen, anstatt nur daneben zu sizten, oder sie plappern wieder drauf los und erwarten eine Antwort. Aber selbst da merke ich schon eine Verbesserung, weil ich sogar schon einzelne Vokabeln verstehe und mir dann den Satz zusammenreimen kann. Allerdings nur manchmal! ;)
Also, einerseits bin ich dann auch froh, wenn es wieder nach hause geht, weil man wirklich platt ist, nach so einem Tag. Aber andererseits freue ich mich auch schon wieder auf den nächsten Tag mit den Kindern. Es ist nämlich vollkommen egal, wie schlecht ich mich vorher fühle: sobald mich ein Kind anlächelt, verschwinden alle meine Sorgen und ich bin einfach nur glücklich! :)


In der Schule läuft es auch sehr gut, es ist allerdings alles etwas chaotisch. Es gibt zum Beispiel alle naselang eines dieser mysteriösen Lehrermeetings. Das heißt, alle Lehrer verschwinden auf unbestimmte Zeit im Lehrerzimmer, und die Kinder haben Pause. Dann kann ich natürlich schlecht mit einer einzigen Klasse Unterricht machen! Also warte ich dann immer, bis das Meeting vorbei ist, und dann ist meistens noch eine Stunde Unterricht, wenn überhaupt! :D Aber naja, so ist Afrika halt! Ein bisschen spontan muss man da eben immer sein! Und solang ich mir nicht selbst zu viel Druck mache, macht es mir auch nichts aus, wenn meine Stunde ein bisschen chaotisch aufgebaut ist. Annarose findet trotzdem, dass ich wirklich gut bin. Sie freut sich alleine schon darüber, dass ich auch wirklich immer komme. Das scheint wohl auch nicht unbedingt selbstverständlich zu sein. Und natürlich freut sie sich, dass ich ihr die Hälfte (naja, meistens auch mehr) der Korrekturen mache, während sie unterrichtet. Dann hör ich mit einem Ohr immer zu, wie sie die Stunde aufbaut und hält, und dann kann ich dasselbe in der nächsten Klasse machen.
Natürlich gibt es immer mal Tage, wo weder Schüler, noch Lehrer Lust auf irgendwas haben, vor Allem, wenn es so brütend heiß ist! Dann sind wir alle einfach froh, wenn uns die Glocke erlöst, was sie an solchen Tagen manchmal sogar früher als sonst tut! ;) Aber dann gibt es wieder Tage, an denen die Kinder richtig wissbegierig sind und total gut mitarbeiten. An solchen Tagen macht das Unterrichten dann auch immer unheimlich Spaß! J

In meiner Freizeit mache ich im Moment viel Sport. Wer hätte das gedacht?! :D Morgens geht es zum Frühsport in der Clinic mit Sindi und Nadia, und wenn wir uns danach noch bewegen kann (was nicht oft der Fall ist), gehen wir nachmittags zum Netball. Marlene hat endlich eingesehen, dass ich früher oder später fahren muss, wenn wir überleben wollen. Also hat sie ihre Angst überwunden, und mich hinters Steuer gelassen. (Ich hab ihr mal vorsichtshalber nicht gesagt, dass ich bis jetzt nichts Größeres als Fiat500 gefahren bin, der Linksverkehr und die anderen Autofahrer haben ihr schon genug Sorgen gemacht! ;) ) Aber alles hat gut geklappt, und jetzt vertraut sie mir schon soweit, dass sie mich bis nach Richards Bay fahren lässt, ungefähr 1 ½ Stunden von hier.
Am Wochenende lädt mich Sister Lidia oft zu ihren wunderschönen Ausflügen ein, wie zum Beispiel letzten Sonntag nach Cape Vidal, einem Game Reserve direkt am Meer! Davor waren wir in einer kleinen Kirche auf dem Land, und auch wenn ich die Kirche hier sehr mag, finde ich es immer unglaublich spannend und schön, wenn ich die Kirche in anderen, ärmeren Gemeinden kennen lernen darf. Dort sind sie meistens sogar noch ausgelassener, als in Hlabisa!

Bei einem dieser Ausflüge habe ich auch Petra und Henrik kennen gelernt. Ich meine, wozu kommt man auch sonst nach Südafrika, wenn nicht, um Leute aus Solingen zu treffen?! :D Die beiden arbeiten für eine Organisation, die Spenden für die Mission hier sammelt, mit denen Sister Lidia dann all ihre Familien, Projekte und Schulen unterstützen kann, um die sie sich kümmert. Und ihren Urlaub verbringen sie dann meistens hier, um vor Ort zu helfen und das ein oder andere Foto zu machen. Wir haben sehr viel zusammen unternommen und wir hatten sehr viel Spaß zusammen! J
Und weil sie mir nicht erlaut haben, mich richtig für mein Geburtstagsgeschenk und alles andere zu bedanken, wollte ich meine Rundmail nutzen, um ein bisschen Werbung zu machen! ;) Also, wenn jemand eine Organisation sucht, bei der er sicher sein will, dass jeder Cent auch wirklich ankommt, wo er ankommen sollte, dann spendet bitte an MISSIO München!! Guckt einfach mal auf der Seite hier vorbei: www.ingwavuma.org.
Ich kann euch wirklich versichern, dass das Geld gut genutzt wird. Und wer möchte, bekommt auch ein schönes Foto mit Danke-Schild, das macht der Henrik nämlich immer gerne! Nicht wahr? :D

Langsam bekomme ich ein Gefühl für den Umgangston und die Menschen hier. Ich kann meistens schon ganz gut einschätzen, wie ich reagieren muss, wenn ich angesprochen werde, wann ich einfach nur lieb gegrüßt werde, und wann ich blöd angemacht oder veräppelt werde. Meistens ist es allerdings ganz harmlos und ein einfacher Gruß und ein lächelndes Gesicht kann unglaublich glücklich machen!

Aber natürlich erlebe ich auch mal Rückschläge und habe negative Erlebnisse.
Zum Beispiel mein kläglicher Versuch, Nachhilfe zu geben. In der Schule ist mir ein Mädchen aufgefallen, die einfach immer aufzeigt und wirklich gut Englisch spricht, jedenfalls für die Verhältnisse hier! ;) Ich hab Sister Annarose erzählt, wie froh ich immer bin, sie zu sehen, weil ich mich darauf verlassen kann, dass wenigstens sie mitmacht, wenn der Rest der Klasse einfach keine Lust dazu hat. Dann hat Annarose gesagt, dass sie zwar gut im Mündlichen wäre, aber furchtbar schlecht im Schriftlichen. Ich habe gedacht, dass ich ihr ja helfen könnte, wenn ich ihr ein bisschen bei den Hausaufgaben helfe, und sowohl Annarose, als auch Vuyiswas Oma waren einverstanden. Also ist sie gekommen und wir haben eine Stunde Englisch gemacht. Als wir fertig waren, hab ich gesagt, dass sie morgen wiederkommen soll. Erst hat sie mich nicht verstanden, dann hab ich Marlene geholt, die auf Zulu mit ihr geredet hat – und plötzlich fing Vuyiswa an zu weinen! Ich war total geschockt, weil ich wusste, dass es ja irgendwas mit mir zu tun haben musste! Dann sagte Marlene, dass sie gedacht hat, dass sie hier wohnen könnte! Ich weiß nicht, wo dieses Riesenmissverständnis aufkommen konnte, aber natürlich konnte sie nicht einfach hier einziehen. Ich habe sie erstmal nach hause gefahren und ich war furchtbar durcheinander, weil ich mir Vorwürfe gemacht habe, obwohl ich ja eigentlich wusste, dass es nicht wirklich meine Schuld war. Aber trotzdem hab ich mich echt schlecht gefühlt!
Wir haben noch mal mit der Großmutter und Annarose gesprochen und sie hat gesagt, dass Vuyiswa ein „Problem“ habe – ob das jetzt ein Lernproblem, ein Trauma oder ein psychisches Problem ist, hab ich nicht aus ihr heraus bekommen, und Marlene meint, dass ich das wohl auch nie erfahren werde. Jedenfalls sollte ich „erstmal aufhören“ mit der Nachhilfe, und wir würden später noch mal gucken… Naja, ich vermute, dass es nie mehr dazu kommen wird! Das ist wirklich schade, weil ich gehofft hatte, ihr irgendwie helfen zu können. Jetzt hab ich das Gefühl, dass sie mehr Hilfe bräuchte, als nur Nachhilfe in Englisch, aber ich kann gar nichts mehr für sie tun!